London und mehr

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Ist London überhaupt noch attraktiv?

30/11/2020 By Tina 2 Kommentare

Inzwischen fragen sich viele, die in der britischen Hauptstadt wohnen, ob sie hierbleiben sollen, und es gibt gute Gründe, sich darüber Gedanken zu machen

Corona in der Großstadt

Für lange Zeit sind ja immer mehr Menschen weltweit in die Metropolen gezogen, so auch nach London, aber auf einmal ändert sich das.

Von verschiedenen Leuten weiß ich, dass sie wegwollen oder inzwischen schon irgendwo auf dem Land leben, wo Virusgefahr und Wohnungspreise niedriger liegen.

Wer sowieso nur der Arbeit wegen hier sind oder war, für den kann das Sinn machen, vor allem, wenn er nun ständig oder an mehreren Tagen in der Woche im Homeoffice arbeitet.

Und wer in London beengt lebt, ist oft besonders motiviert, die Stadt zu verlassen.

Allerdings frage ich mich, ob einige derjenigen, die zum ersten Mal aufs Land ziehen wollen, nicht unrealistisch romantische Vorstellungen davon haben.

Ich bin selbst in einem Dorf aufgewachsen und habe später in einer mittelgroßen Stadt gewohnt, deshalb weiß ich, was ich alles vermissen würde, wenn ich hier wegginge.

Gerade in Zeiten, in denen Reisen schwierig ist, bin ich sogar noch lieber in London, wo nach wie vor viele Leute aus aller Welt leben.

Im Sommer bin ich – Corona sei dank – endlich mal wieder richtig gerne im Zentrum gewesen, weil es weniger hektisch war.

Und ich habe in London den Vorteil, sowohl Englisch als auch Deutsch, beide Sprachen, mit denen ich arbeite, ungefähr zu gleichen Teilen regelmäßig sprechen zu können. Außerdem kann ich neben der englischen Kultur auch immer mal wieder andere kennenlernen.

Wer jetzt sagt, dass die meisten Kontakte momentan eh nur über Zoom, Skype und Telefon stattfinden, wobei es dann egal ist, wo man wohnt, hat einerseits recht.

Andererseits finde ich aber Kommunikation leichter, wenn man die Leute auch persönlich treffen kann. Da wir ja in den nächsten Monaten Impfungen im großen Stil in Aussicht haben, gehe ich nicht davon aus, dass wir ewig im Lockdown bleiben werden.

Sprachkenntnisse lassen sich im Alltag doch einfacher trainieren als online, und es ist nützlich, dabei so viele Sinne wie möglich einzusetzen. Jedenfalls können Tast-, Geschmacks- und Geruchssinn bis jetzt noch nicht per Videokonferenz übertragen werden.


Versteckte Schätze

Manches habe ich erst nach Jahren entdeckt, zum Beispiel den kleinen Stationers Park ganz bei mir in der Nähe, der inzwischen mein Favorit geworden ist.

Hier stehen jede Menge Tische und Bänke. Vor allem in der warmen Jahreszeit habe ich da oft gearbeitet, und manchmal tue ich es jetzt noch. Auch bei der erhöhten Corona-Alarmstufe war hier zum Glück weiter geöffnet. An einer Verkaufshütte gibt es sogar heiße Getränke und guten Kuchen – was will man mehr.

Stationers Park in Nord-London

Man muss nur wissen, wo in London die vielen grünen Flecken zu finden sind.

Da wäre außerdem zum Beispiel das Naturschutzgebiet Woodberry Down
nahe Stoke Newington, das ich von mir zu Hause aus noch gut zu Fuß erreichen kann. Ich gehe dann über den Capital Ring, den inneren Wanderweg um die Stadt herum auf dem Abschnitt Highgate – Stoke Newington.

Wer mit der U-Bahn hinfahren möchte, nimmt die Piccadilly Line bis Manor House.

In Woodberry Down kann man den Blick aufs Wasser genießen und hat mal wieder das Beste aus zwei Welten: Natur pur, und die Großstadt ist ganz nah. So etwas gibt es in London häufiger, und es ist ein wesentlicher Grund dafür, der mich hier hält. Es hat auch besonders in Corona-Zeiten die Lebensqualität enorm erhöht.


Zukunftsaussichten


Ich kann mir gut vorstellen, dass besonders grüne Gegenden wie Woodberry Down, die nicht weit von der Innenstadt entfernt liegen, in Zukunft noch beliebter werden.

Hier entstehen auch etliche neue Hochhauskomplexe mit Neubauwohnungen. Diese Wohnungen sind aber im Schnitt noch teurer als der sonst schon nicht gerade billige Wohnraum in London.

Sonnenuntergang in Woodberry Down, London

Absurd wird es immer dann, wenn bei Neubauten mal wieder stolz darauf hingewiesen wird, dass ein gewisser Prozentsatz davon “bezahlbar” ist. Wozu sollen die Häuser denn sonst gut sein? Um reiche Investoren noch reicher zu machen?

Aber es ist klar, dass sich zumindest Büroräume schon jetzt schwerer vermieten lassen, und mit denen konnte man vor Corona am meisten verdienen.

Vielleicht werden irgendwann auch Miet- und Eigentumswohnungen wieder günstiger, dann hätte das Virus etwas Positives bewirkt.

Außerdem fahren durch Corona mehr Leute mit dem Fahrrad. Weniger toll finde ich, dass auch mehr Autos unterwegs sind, aber die verschmutzen ja die Umwelt nicht so schlimm wie die Flugzeuge, von denen inzwischen deutlich weniger in der Luft sind.

War da nicht noch was? Ach ja, der Brexit.

Offiziell haben wir ihn schon seit Ende Januar. Vor dem Corona-Ausbruch war er das alles beherrschende Thema, dann geriet er durch das Virus fast in Vergessenheit, und jetzt hören wir wieder mehr davon.

Am Jahresende läuft die Übergangszeit ab, und erst dann werden wir sehen, was der Brexit wirklich für Folgen hat.

Mittlerweile wurde mir mitgeteilt, dass ich auf unbegrenzte Zeit im Land bleiben darf, weil ich die Kriterien für den sogenannten “Settled Status” erfülle. Schön.

Allerdings haben ja die Londoner sowieso mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt, und in meinem Stadtteil Haringey waren es noch mehr als im Durchschnitt.

Auch wenn ich als Deutsche sicher weniger Probleme habe als Leute einiger anderer Nationalitäten, würde ich in England auf keinen Fall auf dem Land leben wollen, wo die Brexit-Befürworter in der Überzahl sind.

Freiberufler haben es hier besser als in Deutschland


In den vielen Jahren, in denen ich nun in London lebe, war ich nie fest angestellt, sondern habe immer freiberuflich gearbeitet, was im Bereich Sprache sowieso keine Seltenheit ist.

Hier habe ich als Freiberuflerin schon oft den Schwerpunkt meiner Arbeit geändert, weil ich das selber so wollte und konnte dadurch immer wieder viele interessante Erfahrungen sammeln.

Aber jetzt werden vielleicht auch einige Leute, die vorher nie auf die Idee gekommen sind, gezwungen sein, sich neu zu orientieren, vor allem, wenn die Zukunftsperspektiven für ganze Branchen unsicher sind.

Hier im Land wird nicht so ein großer Unterschied zwischen Festangestellten und Freiberuflern gemacht, die durch die Ausgangssperre Probleme haben. Soloselbständige in Not kommen hier viel leichter an finanzielle Hilfe als in Deutschland.

Ich gehe davon aus, dass in Zukunft weltweit mehr Flexibilität gefragt ist. Genau die bietet die Freiberuflichkeit: Je nachdem, was man macht, sind auch verschiedene Arten von Arbeit gleichzeitig möglich.

In London habe ich jedenfalls immer wieder neue Anregungen und Inspirationen gefunden, die ich mir an kaum einem anderen Ort der Welt so hätte vorstellen können.

Außerdem können Leute wie ich in Großbritannien einfacher ihre Steuererklärung online selbst machen als zum Beispiel in Deutschland. Das spart Geld und Nerven.

Alles in allem habe ich also immer noch eine Menge Gründe, um hierzubleiben.

Trotz Brexit weiter in London

02/02/2020 By Tina 2 Kommentare

Nun ist es also passiert: Das Vereinigte Königreich ist aus der EU ausgetreten.

Noch kein offizielles Bleiberecht

Bislang habe ich noch kein dauerhaftes Bleiberecht beantragt, weil mich nervt, dass man den Antrag mit einem Handy stellen soll, und es funktioniert noch nicht einmal mit jedem Handymodell.

Nordirland-Konflikt im Londoner Pub

Die Beziehung zwischen Nordirland und der Republik Irland ist ja das größte Problem beim Brexit, und darauf bekam ich neulich selbst einen Vorgeschmack. 

Ich saß mit einer Gruppe in einem Pub, und unter uns war auch ein Ire aus der Republik Irland. Sein Akzent reichte anscheinend aus, um einen britischen Ex-Soldaten aus Belfast auf die Palme zu bringen.

Die Beleidigungen wurden immer aggressiver, und schließlich warf der Wirt den Typen raus. Zum Abschied flog noch mit voller Wucht ein Bierglas in unsere Richtung, das uns haarscharf verpasste. Zum Glück ging das Ganze unblutig aus.

Ich habe mir sagen lassen, dass solche Vorfälle früher öfter vorkamen, aber nicht zuletzt die EU hat sehr zur Beruhigung des Konflikts beigetragen. Hoffentlich bleiben solche Dinge in Zukunft weiter Einzelfälle.

Chance genutzt, als es sie noch gab

Ich hatte die Gelegenheit, ein Erasmus-Austausch-Studium in London zu machen, das von der EU gefördert wurde. Dabei konnte ich die Stadt schon kennen- und lieben lernen und wusste bereits ein bisschen, auf was ich mich einlasse, als ich dann dauerhaft hergezogen bin.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich ohne das Erasmus-Studium überhaupt hier wäre, und ich bin froh, dass ich die Chance damals genutzt habe.

Britische Studenten haben diese Möglichkeit ja demnächst vielleicht nicht mehr, in Zukunft ist so etwas dann hier möglicherweise Reichen vorbehalten.

Wer in der EU lebt und vorübergehend in ein anderes EU-Land gehen möchte, muss übrigens auch nicht studieren, um Austauschprogramme der EU zu nutzen – es gibt auch andere Programme für junge Erwachsene mit den verschiedensten Berufen.

Londoner Bürgermeister bietet Hilfe an

Wer als EU-Bürger in einem anderen EU-Land lebt, hat ja das Recht, bei den Kommunalwahlen mit abzustimmen. Ich nehme an, dass es damit nun für uns vorbei ist, obwohl es immer wieder heißt, dass alle unsere Rechte gesichert bleiben.

Das Schöne ist aber, dass uns der Bürgermeisters Sadiq Khan ausdrücklich Hilfe anbietet, wenn wir sie brauchen, und ich habe seine Mailing-Liste abonniert.

Mich beeindrucken auch die Veranstaltungen für EU-Bürger, die vom Bürgermeisteramt in London angeboten werden.

Tolle Leute halten mich hier

Natürlich habe ich auch schon weniger schöne Erfahrungen gemacht.

Wenn Leute auf einmal distanziert werden, vor allem, wenn das Gespräch zufällig auf das Thema Brexit kommt, gehe ich meistens davon aus, dass sie für den Brexit gestimmt haben.

Aber es gibt hier ja genügend andere, und die sind in dieser Stadt in der Mehrheit.

Ich bin immer wieder gerührt, wenn mir Briten sagen, dass sie auf keinen Fall wollen, dass ich nach dem Brexit das Land verlasse und dass wir sie hier bitte nicht alleine lassen sollen.

Nicht zuletzt deshalb will ich jetzt erst recht bleiben, außerdem ist London immer noch meine absolute Lieblingsstadt.

Mal sehen. Dieses Jahr soll ja ein Übergangsjahr sein, in dem sich noch nicht viel ändert.

Natürlich kann niemand sagen, wie es dann langfristig tatsächlich aussieht, aber ich bin mir sicher, dass es hier auch in Zukunft nie langweilig werden wird.

Englisch in Berlin

23/11/2019 By Tina 2 Kommentare

Wer mich kennt, weiß, dass ich es international liebe. Was ich allerdings neulich bei meinem Berlin-Besuch erlebt habe, fand ich krass

 

Internationale Sprache ist nützlich für internationale Besucher

Als deutsche Hauptstadt und noch dazu mit besonderer Geschichte ist Berlin natürlich ein beliebtes Reiseziel, und allein deshalb hört man hier Leute oft Englisch sprechen. Niemand kann alle Sprachen der Welt beherrschen, da ist Englisch einfach praktisch.

Alles schön und gut, aber das Internationale treibt in Berlin seltsame Blüten.

Es gibt Lokale, in denen man mit Deutsch nicht weit kommt, weil die Bedienung nur Englisch spricht. Ich habe es selbst erlebt.

Nun ist es natürlich nicht so, dass ich Probleme habe, Englisch zu verstehen und zu sprechen, aber trotzdem war ich genervt.

 

Manche zweifeln an ihren Deutschkenntnissen

Für Ausländer, die in Berlin ihre Deutschkenntnisse anwenden wollen, kann es besonders frustrierend werden.

Ein Spanier, mit dem ich mich in einer der Bars unterhielt, in denen die Bedienung kein Deutsch spricht, meinte, seine Deutschkenntnisse seien sicher nicht gut genug, deshalb hätte die Frau hinter der Theke wohl Englisch mit ihm gesprochen.

Das stimmte aber nicht, er sprach gut Deutsch, und ich finde es nicht okay, dass sich Leute wie er in Berlin schlecht fühlen müssen.

 

Andere können sich abgehängt fühlen

Abgesehen von den Ausländern sollten wir nicht vergessen, dass Leute, die vor dem Mauerfall in Ostdeutschland aufgewachsen sind, gar keine Chance hatten, in der Schule Englisch zu lernen, weil damals Russisch angesagt war.

Manche aus dem Osten der Republik fühlen sich ja eh abgehängt, und wenn sie sich in ihrer eigenen Hauptstadt nicht sprachlich verständigen können, hilft das garantiert nicht.

 

Außerdem gibt es sicher auch heute noch andere Leute, die aus irgendwelchen Gründen gar kein oder schlecht Englisch gelernt haben und die Welt nicht mehr verstehen, wenn Deutschkenntnisse in Berlin an erstaunlich vielen Orten nicht mehr reichen.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden, weil ich es natürlich gut finde, wenn die Bedienung immer AUCH Englisch spricht.

Aber warum müssen die Besitzer dieser Lokale unbedingt Leute hinter der Theke haben, die nur Englisch und kein Deutsch sprechen, wo es doch in Berlin so viele Leute gibt, die beide Sprachen sprechen?

 

5 Gründe, warum ich nie einen britischen Pass haben werde

29/03/2019 By Tina Kommentar verfassen

Der Brexit ist ja ein Grund dafür, dass immer mehr EU-Bürger, die in Großbritannien leben, die britische Staatsbürgerschaft beantragen, aber das werde ich wohl nie tun

(Mit Nachtrag vom 8.11.19)

 

1. Man würde meinen Antrag womöglich sowieso ablehnen

Ich könnte als EU-Bürgerin zumindest bislang noch in Großbritannien die britische Staatsbürgerschaft beantragen und meine deutsche behalten.

Wer seit mindestens 5 Jahren im Land lebt und arbeitet, egal, ob EU-Bürger oder nicht, kann außerdem sowieso einen britischen Pass beantragen. Auch diese Bedingung erfülle ich.

Aber jetzt kommt der Haken: Ich arbeite freiberuflich und weiß von mindestens einer Kollegin aus einem anderen EU-Land, deren Antrag auf britische Staatsbürgerschaft offenbar abgelehnt wurde, weil sie selbstständig arbeitet und keinen “richtigen” Job hat, wie es oft immer noch heißt. Natürlich spielt dabei auch die Höhe des Einkommens eine Rolle, aber soweit ich weiß, gelten für Freiberufler strengere Maßstäbe als für Angestellte.

 

Brexit EU-Bürger2. Die doppelte Staatsbürgerschaft hat mindestens einen Nachteil

Wenn überhaupt, würde ich sowieso nur die britische Staatsangehörigkeit wollen, wenn ich meine deutsche behalten dürfte, und das ist in Großbritannien möglich, aber ich finde, so etwas hat nicht nur Vorteile.

Es gibt ja in Deutschland mittlerweile viele Leute mit türkischer und deutscher Staatsangehörigkeit. 2016 bekamen einige von ihnen nach dem türkischen Putsch Schwierigkeiten in der Türkei und suchten Hilfe bei der dortigen deutschen Botschaft. Auf der Botschafts-Website las ich damals, dass Deutsch-Türken grundsätzlich keine Hilfe der Botschaft erwarten sollten, weil hier nur die Türkei für sie zuständig sei.

Das hat mich nachdenklich gemacht. Obwohl ich nicht damit rechne, dass in Großbritannien Ähnliches passiert wie in der Türkei, ist es doch ein besseres Gefühl, mir im Notfall Hilfe bei der deutschen Botschaft holen zu können.

Und was wäre, wenn ich in einem ganz anderen Land in Schwierigkeiten gerate und man mich aus irgendeinem Grund irgendwo ins Gefängnis steckt? Wer hilft mir dann? Bei einer doppelten Staatsbürgerschaft könnte ich mir gut vorstellen, dass sich die Botschaften gegenseitig die Verantwortung zuschieben und mich am Ende niemand unterstützt.

 

3. Ich müsste der Queen offiziell die Treue schwören

Neu Eingebürgerte müssen im Vereinigten Königreich der Queen die Treue schwören, bevor man ihnen einen Pass gibt.

Ein Schwur hat für mich immer mehr als symbolische Bedeutung, und wer weiß, auf was für Ideen man hier noch kommt, wenn der Brexit total aus dem Ruder läuft …  aber Scherz beiseite, es ist doch wohl eher unwahrscheinlich, dass die absolute Monarchie wieder eingeführt wird, aber ich möchte im 21. Jahrhundert einfach keiner Queen und keinem König mehr die Treue schwören müssen.

 

4. Um in London zu bleiben, brauche ich keinen britischen Pass

Es gibt hier ja ein großes Durcheinander, und viele EU-Bürger haben oder hatten Angst und fragten sich, ob sie im Land bleiben können oder nicht. Das war bei mir eigentlich nur kurz nach dem Referendum der Fall, und mein Motto ist sowieso: “Flexibilität ist die neue Sicherheit.”

Das Parlament hat außerdem neulich bestätigt, dass Leute wie ich auch bei einem ungeregelten Brexit ihr Bleiberecht behalten sollen, also gibt es keinen Grund zur Panik, auch ohne britischen Pass.

 

5. Ich fühle mich vor allem als Weltbürgerin

Eigentlich möchte ich gar keinen weiteren Nationalpass haben, damit hätte ich kein gutes Gefühl, und der deutsche Pass ist sowieso nicht der schlechteste, den man haben kann.

Außerdem wohne ich in London, wo ein großes Mischmasch aus den verschiedensten Nationalitäten lebt.

Manchmal fantasiere ich, was wohl wäre, wenn wir auf einmal Besuch von netten Außerirdischen bekämen. Die würden sich garantiert wundern, wie die Leute auf diesem Planeten miteinander umgehen, und was für merkwürdige Dinge gerade in dem Land vor sich gehen, in dem ich lebe …

 

Nachtrag

Mittlerweile habe ich noch einen weiteren Grund, der für mich gegen die britische Staatsbürgerschaft spricht:

Immer, wenn ich einen einen neuen britischen Pass beantragen würde, müsste ich sämtliche Ausweispapiere, auch meinen deutschen Reisepass und Personalausweis, gleichzeitig an die britischen Behörden schicken, das heißt, ich hätte zeitweise weder einen britischen noch einen deutschen Ausweis.

Die Papiere würden mir dann auch nicht per Einschreiben zurückgeschickt, und das, obwohl die Post hier manchmal nicht zuverlässig ankommt, je nachdem, in welcher Gegend man wohnt.

 

 

 

 

 

 

An Himmelfahrt wird in Großbritannien gearbeitet und Vatertag ist erst im Juni

01/05/2018 By Tina Kommentar verfassen

Feiertage sind international oft unterschiedlich, wie man an diesem Beispiel wieder einmal sehen kann

Der deutsche Vatertag ist hier ein ganz normaler Wochentag

Ebenso wie der 1. Mai ist auch Christi Himmelfahrt, das in diesem Jahr am 10. Mai stattfindet, kein gesetzlicher Feiertag in Großbritannien, was aber nicht heißt, dass es keinen Vatertag gibt, nur ist der immer am 3. Sonntag im Juni, wie in etlichen anderen Ländern auch.

Es ist kein kirchlicher Feiertag, sondern einfach ein ruhiger Sonntag für die Familie, an dem Vätern oft Geschenke erhalten.

Wie ich bei den Recherchen zu diesem Artikel festgestellt habe, scheint Deutschland sogar die einzige Nation zu sein, in der viele Leute am Vatertag besondere Bräuche pflegen.

Am Vatertag fährt hier niemand mit dem Bollerwagen herum

Himmelfahrt mit dem Bollerwagen und viel Alkohol in der Natur

Vatertag wird in Großbritannien anders und auch nicht an Himmelfahrt gefeiert, wie in Deutschland

Aus meiner alten Heimat Deutschland kenne ich es so, dass sich Männer Bierkisten auf Handkarren packen, damit fahren sie dann in die Natur und betrinken sich, wobei manche am Ende nicht mehr weit vom Koma entfernt sind.

Manche Frauen in Deutschland finden es ja ungerecht, dass Männern am Vatertag offiziell erlaubt ist, über die Stränge zu schlagen, was am Muttertag ganz und gar nicht üblich ist.

Ich habe es allerdings selbst nie so erlebt, dass die Männer unter sich sein wollten. In meinen Kreisen waren sowohl Männer als auch Frauen gern gesehen, und wenn schönes Wetter war, ging es raus in die Natur, durchaus mit Alkohol, aber in Maßen.

Auch in Deutschland feiert natürlich nicht jeder den Vatertag, aber es ist gut zu wissen, dass Himmelfahrt in England kein Feiertag ist – diesen Tag nehmen hier die meisten noch nicht einmal als einen besonderen wahr.

 

 

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Wer in London eine Sauna besucht, sollte die Regeln kennen – sonst kann es peinlich werden

09/04/2018 By Tina Kommentar verfassen

Mir war früher selbst gar nicht bewusst, dass die Saunareglen nicht überall auf der Welt gleich sind und ich habe erst nach und nach mehr darüber gelernt

Die unterschiedlichen Traditionen führen oft zu Verwirrung

Sauna in London, England, GroßbritannienIn Deutschland hält man es ja wie in Skandinavien und geht nackt in die Sauna, aber das ist in Großbritannien ebenso wie in den USA nicht üblich. Badekleidung ist normalerweise Pflicht.

Es gibt immer mal wieder Leute, die das nicht wissen und sich in unangenehme Situationen bringen.

Vor vielen Jahren habe ich in der Zeitung gelesen, dass so etwas selbst der deutschen Fußballnationalmannschaft mal in England passiert sein soll, als die Spieler nackt zu ihren englischen Kollegen in die Saunakabine gegangen sind.

Ich vermute aber, dass sich die Peinlichkeit noch in Grenzen hielt, weil Männer unter sich waren.

Das ist ja sowieso in vielen Teilen der Erde üblich: Nackt ja, aber Männer und Frauen getrennt.

Ich habe mich mit Leuten aus unterschiedlichen Ländern hier in London über die deutschen Sitten und Gebräuche unterhalten und kaum jemand kannte sie. Die meisten haben gegrinst 😉

Bekleidet oder nicht – was ist besser?

Ich finde, dass es kein Richtig oder Falsch gibt, weil Menschen nun mal unterschiedliche Bedürfnisse und Empfindlichkeiten haben, was Nackheit in der Öffentlichkeit betrifft.

Als ich über die Saunaregeln nachgedacht habe, ist mir auch die FKK-Kultur in der früheren DDR eingefallen, die in Ostdeutschland sehr viel weiter verbreitet war und ist als in Westdeutschland.

Ursprünglich hatte die damalige ostdeutsche Volkspolizei ja Nacktbaden rigoros veboten, aber die Leute haben sich durchgesetzt.

Kein Wunder, dass die Nackkultur in Ostdeutschland so beliebt ist und als Zeichen für Freiheit gilt. Alle, die sich für weitere Hintergründe interessieren, können beim Mitteldeutschen Rundfunk einen Beitrag darüber nachlesen oder sogar anhören.

Auch wenn FKK einigen Leuten ein größeres Gefühl von Freiheit gibt, finden andere, das geht zu weit, denn wenn man sonst nicht nackt herumläuft, warum dann in der Sauna?

Ich habe selbst mal eine Zeitlang an deutschen Baggerseen nackt gebadet, wobei eigentlich immer irgendwo Spanner im Gebüsch saßen – manchmal sogar mit Fernrohr – und irgendwann fand ich es nur noch unangenehm.

Anfangs bin ich in Deutschland noch in die gemischte Sauna gegangen und hatte kein wirklich unangenehmes Erlebnis, aber später habe ich doch festgestellt, dass ich mich in der Frauensauna wohler fühle.

Bei den Recherchen zu diesem Artikel habe ich herausgefunden, dass es mittlerweile selbst in Deutschland schon Textilsaunen gib, zum Beispiel in Bremen, weil immer mehr Menschen lieber bekleidet in die Sauna gehen. Wer hätte das gedacht?

Als Argument für die Nacktheit gilt ja, dass es gerade beim Schwitzen besser und wohl gesünder ist, den Schweiß frei laufen zu lassen und das finde ich auch.

Achtung bei der reinen Männersauna

Da ich hier über London blogge, muss ich noch eine ganz bestimmte Art von Sauna erwähnen, die es hier häufig gibt, und zwar die für schwule Männer.

Wie ich selbst schon gesehen habe, sind die besagten Saunen aber nicht immer klar als solche erkennbar, deshalb möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen.

Wenn es also nur „Men’s Sauna“ heißt, dann ist in der Regel Nacktheit erlaubt, aber noch einiges mehr.

Jedem das seine …  😉

 

 

 

 

Ostern ist in England ähnlich wie in Deutschland, aber es gibt kleine Unterschiede

01/04/2018 By Tina Kommentar verfassen

Auch in London wird Ostern gefeiert, allerdings ein bisschen anders als in der alten Heimat

Die Feiertage sind die gleichen, die Ladenöffnungszeiten allerdings nicht

In Großbritannien gibt es an Ostern dieselben, für die Mehrheit der Bevölkerung arbeitsfreien Feiertage wie in Deutschland, angefangen mit Karfreitag, wobei die Regeln nicht so streng sind und viele Läden auch Karfreitag geöffnet haben.

Die meisten Geschäfte haben ja sowieso fast jeden Tag auf, wobei eine der wenigen Ausnahmen der Ostersonntag ist, aber auch dann muss man nicht verhungern, sondern kann wie in Deutschland noch an Tankstellen Lebensmittel kaufen.

Auch der Ostermontag ist ein Feiertag, und wer nun meint, das sei doch selbstverständlich, weiß vielleicht nicht, dass der Pfingstmontag hier ein ganz normaler Arbeitstag ist.

Ostern und Karfreitag in GroßbritannienAn Karfreitag wird etwas Spezielles aufgetischt

Das traditionelle Essen an Karfreitag sind hier die sogenannten Hot Cross Buns.

Das sind Rosinenbrötchen mit einem Kreuz oben drauf.

Sie werden kalt, warm oder getoastet gegessen.

Früher fand ich es seltsam, dass man den Karfreitag, den Tag der Kreuzigung, hier „Good Friday“ bezeichnet, weil mir nicht ganz klar war, was daran gut sein soll, aber inzwischen weiß ich, dass mit „gut“ im Altenglischen „heilig“ gemeint war.

Kinder suchen hier auch Ostereier, aber der Osterhase hat keine so lange Tradition wie inKarfreitag und Ostern in Großbritannien Deutschland

Das Eiersuchen nennt sich hier „egg hunt“ und das passiert nicht nur privat, sondern es gibt in London auch immer verschiedene öffentliche Veranstaltungen, bei denen Eier gesucht werden.

Der Osterhase hat hier aber keine so lange Tradition wie in Deutschland. Soweit ich herausfinden konnte, hat es ihn wohl zuerst in norddeutschen protestantischen Gegenden gegeben, von wo aus er vor allem von deutschen Immigranten in verschiedene Teile der Welt gebracht wurde, zum Beispiel in die USA und nach Großbritannien.

Auch in Großbritannien werden hartgekochte Eier gefärbt, obwohl ich den Eindruck habe, dass die Schokoladeneier doch überwiegen.

In manchen ländlichen Gegenden werden die Eier hier auch Grashügel hinuntergerollt, in London habe ich so etwas allerdings bisher noch nichts gesehen, obwohl es hier in hügeligen Parks wie Hampstead Heath sicher auch möglich wäre!

 

 

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Schnee in London … Spaß oder Frust?

21/03/2018 By Tina Kommentar verfassen

Normalerweise kann man in London mit etwa einem Tag Schnee im Jahr rechnen, diesmal war es allerdings etwas mehr und das hat manchmal auch seine Tücken

Der U-Bahn-Service hat sich bei Schnee deutlich verbessert

In den vergangenen Jahren konnte man davon ausgehen, dass es Probleme mit der U-Bahn gab, sobald sich ein bisschen Schnee zeigte.

In diesem Jahr ist, soweit ich mich an zurückliegende Jahre erinnern kann, zum ersten Mal alles glatt gegangen. Zufall?

Ich fahre allerdings auch – anders als die meisten Leute – nicht ständig mit der U-Bahn zur Arbeit, deshalb bin ich jetzt rein subjektiv, aber bisher habe ich auch von anderen keine Klagen gehört.

Es kann also tatsächlich sein, dass man sich hier mittlerweile besondere Mühe gibt, um Störungen möglichst schnell zu beheben.

Die wunderschönen alten Häuser sind oft schlecht isoliert

Kälte, Schnee und Eis in London

Straße in Nord-London

Ja, schön sind sie, diese Häuser, nur zieht es oft durch die Ritzen. Und Doppelverglasung ist nicht gleich Doppelverglasung, wenn es sie denn gibt, unsere ist jedenfalls nicht die beste.

Ich denke, dass wir in Deutschland mit der guten Heizung und Isolierung wirklich gut dastehen im internationalen Vergleich. Als ich noch in der alten Heimat gewohnt habe, war das für mich selbstverständlich, man weiß die Dinge eben manchmal erst richtig zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat.

Aktuell wohne ich sogar direkt unterm Dach, was eine besondere Herausforderung sein kann, und da wird man schon mal erfinderisch: Ich habe zum Beispiel eine beheizbare Weste.

Leute aus anderen Teilen der Welt, wie Süd-Europa oder Australien, haben mir aber erzählt, dass auch in ihren Ländern Zentralheizung kein Standard ist und die habe ich in London bisher immer gehabt.

Raumthermostate habe ich allerdings noch keine gesehen. Es wäre toll, wenn die auch noch mal flächendeckend eingeführt würden, was besonders nützlich wäre, wenn man wie ich in der WG wohnt und die Leute unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie hoch die Heizung aufgedreht werden soll.

Kälte, Doppelverglasung, London

Schnee in London: Spaß oder Frust?

Mit Spikes unter den Schuhen auf alles vorbereitet

Gerade scheint die Sonne ganz toll in mein Fenster und das passiert ja oft bei besonders niedrigen Temperaturen.

Hier in der Nähe, beim Alexandra Palace, wo die Hügel besonders hoch sind, habe ich vor Jahren auch schon mal Kinder Schlitten fahren sehen.

Ich wohne selbst auf einem Hügel und obwohl die Bürgersteige bei Extremverhältnissen gefährlich vereist sein können, weil selten Schnee geschippt wird, schockt mich das nicht.

Für alle Fälle habe ich Spikes, die man sich unter die Schuhe schnallen kann. Gebraucht habe ich sie allerdings selten, denn so schnell, wie der Schnee kommt, so schnell ist er auch meistens schon wieder weg …

 

 

 

 

Wörterbücher reichen nicht immer aus

25/09/2017 By Tina Kommentar verfassen

Gestern musste ich mal wieder grinsen, als mich ein wildfremder Mann mehrfach mit „Sweetheart“ ansprach. Früher hätte ich das wahrscheinlich falsch verstanden.

Es kommt auf das betreffende Land an

Bei diesem genannten Beispiel wusste ich, dass „Sweetheart“ einfach nur nett gemeint war und es gab keinen Grund, Respektlosigkeit zu vermuten, weil ich schon lange genug in England lebe und weiß, wie das Wort hier gebraucht wird.

Übrigens gilt Ähnliches wie bei dem erwähnten Wort „Sweetheart“ auch, wenn hier jemand „Darling“ oder „Love“ sagt.

In Deutschland wäre die Sache eine andere, wenn jemand „Schätzchen“ oder Ähnliches zu mir sagen würde – das kann bei Fremden durchaus abfällig gemeint sein.

Ich habe jetzt extra noch mal in den Online-Wörterbüchern leo.org und dict.cc nachgesehen, die ich regelmäßig benutze, und da stehen tatsächlich nur direkte Übersetzungen ohne nähere Angaben zur Verwendung.

Ich benutze fast nur noch Online-Wörterbücher

Gedruckte Wörterbücher verstauben bei mir inzwischen schon allein deshalb im Regal, weil es deutlich länger dauert als bei den digitalen, etwas nachzusehen, und das ist mir mittlerweile einfach zu zeitaufwendig.

Ein weiterer wichtiger Grund gegen gedruckte Bücher ist für mich der, dass sie einfach nicht aktuell genug sein können. Es dauert ja relativ lange vom Entwurf, bis ein Buch dann endlich auf den Markt kommt und in der Zwischenzeit kann sich heutzutage einiges ändern.

Die Welt verändert sich immer schneller, es gibt neue Wörter, altbekannte ändern ihre Bedeutung oder sie werden kaum noch gebraucht.

Das Online-Wörterbuch Leo finde ich besonders interessant, weil sich hier auch Nutzer über die Verwendung von Wörtern austauschen, und es gibt es oft interessante Diskussionen.

Wie das Wort „Sweetheart“ zeigt, müsste den Leuten aber gelegentlich erst mal klar sein, dass überhaupt etwas unklar ist, bevor sie Fragen dazu stellen könnten.

Leo  erlaubt einem übrigens, ein kostenloses Konto eröffnen, und wir können herausfinden, ob hier gerade ein Muttersprachler seine Meinung sagt, aus welchem Land er oder sie stammt – was ja oft auch eine Rolle spielt – und ob die Leute zum Beispiel professionell mit Sprache arbeiten. Außerdem können wir selbst Fragen zur Diskussion stellen.

Das andere erwähnte Online-Wörterbuch Dict.cc bietet dagegen eine größere Auswahl an verschiedenen Sprachen.

Wörter können immer wieder veralten

Interessant ist auch, dass ich in England immer noch mal Leute treffe, die selbstverständlich davon ausgehen, dass eine unverheiratete Frau in Deutschland „Fräulein“ genannt wird, was ja nun schon vor Jahrzehnten abgeschafft wurde.

Die Leute wissen es oft einfach nicht besser, weil sie es nie anders gehört haben und mit der modernen deutschen Sprache wenig oder gar nicht in Kontakt kommen.

Auf dem Laufenden bleiben

Wenn es um Veränderungen geht, dann muss aber sogar ich aufpassen, dass mir nicht irgendwelche Neuerungen entgehen, obwohl ich ständig Deutsch und Englisch spreche und mit beiden Sprachen arbeite.

Schließlich verändern sich alle Sprachen, wenn sie irgendwo auf der Welt gesprochen werden, immer weiter – ohne Ausnahme.

Falls uns mal wieder irgendwas komisch vorkommt, wenn wir ein Wörterbuch benutzen, dann hilft es oft, die Situation, um die es geht, genauer zu betrachten.

Im Zweifelsfall heißt es: Wörterbücher haben nicht immer recht und manchmal hilft sogar die Intuition weiter als alles andere.

 

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Eine Bankerin hängte ihren Job an den Nagel und ging zur Londoner Mordkommission

29/08/2017 By Tina 2 Kommentare

Neulich durfte ich einer Polizistin zuhören, die von ihrer interessanten Arbeit erzählte

Erfahrungsbericht einer Kommissarin

Letzte Woche war ich mal wieder zum Arbeiten und Networking im Coworking Space @workhubs in London-Euston – übrigens ein guter Ort für Freiberufler, um ab und zu mit anderen zusammenzuarbeiten.

Die Polizistin Charmaine kam vorbei, sie erzählte uns von ihrem Beruf, und wir merkten sofort, dass sie von ihrem Job begeistert ist.

Das war allerdings nicht immer so, denn ihren früheren Job bei einer Bank fand sie eher deprimierend. Nach einigen Jahren wusste Charmaine, dass sie etwas anderes wollte, nämlich bei der Polizei arbeiten, genauer gesagt, bei der Mordkommission.

Nun sollte man meinen, dass gerade Polizeiarbeit deprimierend ist, wenn man ständig mit Mord und Totschlag zu tun hat, aber Charmaine sieht das anders und für sie zählt vor allem, dass es nie langweilig wird.

Wichtig ist ihr auch, dabei zu helfen, dass die Polizei mit den Angehörigen der Ermordeten so einfühlsam wie möglich umgeht, außerdem geht es ihr um die Familien der Täter, die nach dem Mord meistens ebenfalls am Boden zerstört sind und sie möchte dazu beitragen, dass vor allem junge Täter nicht zwangsläufig in einer lebenslangen Verbrecherkarriere enden.

Bemerkenswert ist dann noch die kurze Ausbildung – in Großbritannien gilt immer noch sehr viel mehr „Learning by Doing“ als in Deutschland und Charmaine erzählte uns von einem Lehrgang, den sie machen musste, aber der dauerte nur 6 Monate.

Der Wechsel in einen anderen Job war vermutlich auch schon deshalb eine gute Idee, weil hier nach dem Brexit vielleicht viele Banker ihre Jobs verlieren.

Arbeitsalltag bei der Londoner Polizei

Bei 8 Millionen Einwohnern hat London insgesamt 33.000 Polizisten und im letzten Jahr gab es hier 100 Morde. Das kommt mir nicht besonders viel vor, es könnte aber auch an der großen Zahl von Krimis im Fernsehen liegen – da kann man schon mal den Blick für die Realität verlieren und man hat den Eindruck, als ob sehr viel mehr Morde passieren, als tatsächlich der Fall ist.

Polizei in Großbritannien im Einsatz bei Mord

Polizeiauto in London

Zurück zu Charmaine: Diese engagierte Polizistin liebt das Abenteuer und sie erzählte uns auch von einer wilden, spannenden Verfolgungsjagd. Obwohl es so etwas tatsächlich gibt, passiert es natürlich in Wirklichkeit nicht annähernd so häufig wie im Fernsehen.

In heißen Ermittlungsphasen schläft Charmaine manchmal auch im Büro. Außerdem ist sie eigentlich ein emotionaler Mensch, findet bei der Arbeit aber vor allem wichtig, professionell zu arbeiten und in angespannten Situationen beruhigend zu wirken.

Sie hat die Erfahrung gemacht, dass dies weibliche Polizisten oft leichter fällt, sie sagt nämlich, dass die meist männlichen Täter bei einer Polizistin oft weniger aggressiv sind und wohl nicht so sehr die Notwendigkeit sehen, Stärke zu zeigen wie bei männlichen Polizisten. Das hätte ich nicht gedacht.

Kontroverses Gesetz trifft besonders junge Leute

Obwohl die eigentlichen Mörder in der Mehrzahl Männer sind, kommen auch zunehmend junge Frauen wegen Mordes hinter Gitter, und woran das liegt, wollte uns Charmaine noch mal genauer erklären. Sie sagte, dass dieses Problem ziemlich unbekannt ist.

Es gibt nämlich in Großbritannien ein Gesetz, dass besonders Jugendliche und junge Erwachsene leicht in große Schwierigkeiten bringen kann, einfach, wenn sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort mit den falschen Leuten zusammen sind.

Dieses Gesetz heißt „Joint Criminal Enterprise“ und es bedeutet, wenn eine Gruppe von Leuten an einem Tatort ist und man nicht genau klären kann, wer für den eigentlichen Mord verantwortlich ist, dann erwartet jeden von ihnen die Höchststrafe. Auch Unschuldige können dadurch leicht für lange Zeit ins Gefängnis wandern und gerade unter Jugendlichen ist der Gruppendruck besonders groß, niemanden an die Polizei zu verraten.

Weil einem das die Zukunft verbauen kann, gibt es die Initiative JENGbA (Joint Enterprise Not Guitly by Association), die von Müttern und anderen Familienmitgliedern unschuldig Verurteilter gegründet wurde, die sich für die Betroffenen einsetzen.

Charmaine sagte dann auch noch, dass ein klarer Zusammenhang besteht zwischen Geldkürzungen in der Jugendarbeit und einem Anstieg der Jugendkriminalität.

Größter Unterschied zu Deutschland:
Britische Polizisten tragen selten Schusswaffen

Zum Schluss habe ich Charmaine dann noch gefragt, ob sie jemals eine Schusswaffe trägt, weil ich schon von Unterschieden im Vergleich zum deutschen System wusste, aber mir war nicht klar, wie das bei Mordermittlern aussieht.

Charmaine sagte, sie trägt nie eine Schusswaffe und würde auf keinen Fall eine bei sich tragen wollen.

Allerdings wurde auch in Großbritannien schon darüber diskutiert, ob die Polizisten nicht manchmal zu großen Gefahren ausgesetzt sind, wenn sie es mit bewaffneten Schwerverbrechern zu tun haben, aber bisher ist alles beim Alten geblieben.

Pistolen bei Londoner Polizei

Anders als deutsche Polizisten tragen nur wenige britische Kollegen Schusswaffen

Ich muss gestehen, dass ich mich hier in London mit Polizisten eigentlich immer entspannt fühle. Obwohl ich nie etwas verbrochen hatte, bekam ich in Deutschland bei solchen Begegnungen manchmal Beklemmungen, und das komische Gefühl hing garantiert vor allem damit zusammen, dass die meisten deutschen Polizisten Schusswaffen tragen.

 

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