Der Brexit ist ja ein Grund dafür, dass immer mehr EU-Bürger, die in Großbritannien leben, die britische Staatsbürgerschaft beantragen, aber das werde ich wohl nie tun
(Mit Nachtrag vom 8.11.19)
1. Man würde meinen Antrag womöglich sowieso ablehnen
Ich könnte als EU-Bürgerin zumindest bislang noch in Großbritannien die britische Staatsbürgerschaft beantragen und meine deutsche behalten.
Wer seit mindestens 5 Jahren im Land lebt und arbeitet, egal, ob EU-Bürger oder nicht, kann außerdem sowieso einen britischen Pass beantragen. Auch diese Bedingung erfülle ich.
Aber jetzt kommt der Haken: Ich arbeite freiberuflich und weiß von mindestens einer Kollegin aus einem anderen EU-Land, deren Antrag auf britische Staatsbürgerschaft offenbar abgelehnt wurde, weil sie selbstständig arbeitet und keinen “richtigen” Job hat, wie es oft immer noch heißt. Natürlich spielt dabei auch die Höhe des Einkommens eine Rolle, aber soweit ich weiß, gelten für Freiberufler strengere Maßstäbe als für Angestellte.
2. Die doppelte Staatsbürgerschaft hat mindestens einen Nachteil
Wenn überhaupt, würde ich sowieso nur die britische Staatsangehörigkeit wollen, wenn ich meine deutsche behalten dürfte, und das ist in Großbritannien möglich, aber ich finde, so etwas hat nicht nur Vorteile.
Es gibt ja in Deutschland mittlerweile viele Leute mit türkischer und deutscher Staatsangehörigkeit. 2016 bekamen einige von ihnen nach dem türkischen Putsch Schwierigkeiten in der Türkei und suchten Hilfe bei der dortigen deutschen Botschaft. Auf der Botschafts-Website las ich damals, dass Deutsch-Türken grundsätzlich keine Hilfe der Botschaft erwarten sollten, weil hier nur die Türkei für sie zuständig sei.
Das hat mich nachdenklich gemacht. Obwohl ich nicht damit rechne, dass in Großbritannien Ähnliches passiert wie in der Türkei, ist es doch ein besseres Gefühl, mir im Notfall Hilfe bei der deutschen Botschaft holen zu können.
Und was wäre, wenn ich in einem ganz anderen Land in Schwierigkeiten gerate und man mich aus irgendeinem Grund irgendwo ins Gefängnis steckt? Wer hilft mir dann? Bei einer doppelten Staatsbürgerschaft könnte ich mir gut vorstellen, dass sich die Botschaften gegenseitig die Verantwortung zuschieben und mich am Ende niemand unterstützt.
3. Ich müsste der Queen offiziell die Treue schwören
Neu Eingebürgerte müssen im Vereinigten Königreich der Queen die Treue schwören, bevor man ihnen einen Pass gibt.
Ein Schwur hat für mich immer mehr als symbolische Bedeutung, und wer weiß, auf was für Ideen man hier noch kommt, wenn der Brexit total aus dem Ruder läuft … aber Scherz beiseite, es ist doch wohl eher unwahrscheinlich, dass die absolute Monarchie wieder eingeführt wird, aber ich möchte im 21. Jahrhundert einfach keiner Queen und keinem König mehr die Treue schwören müssen.
4. Um in London zu bleiben, brauche ich keinen britischen Pass
Es gibt hier ja ein großes Durcheinander, und viele EU-Bürger haben oder hatten Angst und fragten sich, ob sie im Land bleiben können oder nicht. Das war bei mir eigentlich nur kurz nach dem Referendum der Fall, und mein Motto ist sowieso: “Flexibilität ist die neue Sicherheit.”
Das Parlament hat außerdem neulich bestätigt, dass Leute wie ich auch bei einem ungeregelten Brexit ihr Bleiberecht behalten sollen, also gibt es keinen Grund zur Panik, auch ohne britischen Pass.
5. Ich fühle mich vor allem als Weltbürgerin
Eigentlich möchte ich gar keinen weiteren Nationalpass haben, damit hätte ich kein gutes Gefühl, und der deutsche Pass ist sowieso nicht der schlechteste, den man haben kann.
Außerdem wohne ich in London, wo ein großes Mischmasch aus den verschiedensten Nationalitäten lebt.
Manchmal fantasiere ich, was wohl wäre, wenn wir auf einmal Besuch von netten Außerirdischen bekämen. Die würden sich garantiert wundern, wie die Leute auf diesem Planeten miteinander umgehen, und was für merkwürdige Dinge gerade in dem Land vor sich gehen, in dem ich lebe …
Nachtrag
Mittlerweile habe ich noch einen weiteren Grund, der für mich gegen die britische Staatsbürgerschaft spricht:
Immer, wenn ich einen einen neuen britischen Pass beantragen würde, müsste ich sämtliche Ausweispapiere, auch meinen deutschen Reisepass und Personalausweis, gleichzeitig an die britischen Behörden schicken, das heißt, ich hätte zeitweise weder einen britischen noch einen deutschen Ausweis.
Die Papiere würden mir dann auch nicht per Einschreiben zurückgeschickt, und das, obwohl die Post hier manchmal nicht zuverlässig ankommt, je nachdem, in welcher Gegend man wohnt.
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