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Ausstellung „Fallen Woman“ im Foundling Museum mit Parallelen zum Terror in der Welt

23/11/2015 By Tina Kommentar verfassen

Die Frauen, über die ich hier schreibe, verbindet vor allem eins: die Angst vor Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Oft ging es um Leben oder Tod – bei manchen selbst heute noch

 

Ursprünge des Museums und Ausstellung

Das Foundling Museum (=Findlingsmuseum) gehört zu den weniger bekannten Museen in London, und ich habe mir da neulich nicht nur das Museum selbst, sondern auch die aktuellen Ausstellung „Fallen Woman“ (=gefallene Frau) angesehen.

Das Haus hieß im viktorianischen Zeitalter „Foundling Hospital“ und dort wurden Kinder aufgenommen, die aus nichtehelichen Beziehungen stammten. Obwohl solche Geburten eigentlich nicht sein durften, waren sie natürlich trotzdem keine Seltenheit, was dann allerdings für die Mütter schlimm enden konnte, wenn sie es nicht schafften, ihre Kinder zu verheimlichen. Bei der Ausstellung, die noch bis zum 3. Januar 2016 zu sehen ist, gibt es zusätzlich zu den sonstigen Exponaten weitere Gemälde, handschriftliche Originalbriefe und eine Audio-Installation, aber selbst ohne die Ausstellung lohnt sich der Besuch.

Aufnahmekriterien für die Kinder

Wenn eine Frau außerhalb der Ehe schwanger wurde, konnte das in der viktorianischen Zeit katastrophale Folgen für sie haben, falls der Mann sie nicht heiraten wollte, weil er schon verheiratet war oder „eine bessere Partie“ in Aussicht hatte. Übrigens gab es damals natürlich auch jede Menge Prostituierte. Ihre Kinder hatten allerdings keine Chance, im Findlingshospital aufgenommen zu werden.

Um zu „fallen“ mussten die Frauen nämlich zunächst mal überhaupt eine achtbare Stellung in der Gesellschaft haben. Aber auch dann waren sie als Erstes gezwungen, die Aufnahme unehelicher Kinder im Findlingshospital zu beantragen und zu begründen. Zuerst mussten die Frauen einen schriftlichen Aufnahmeantrag stellen und wenn der durchging, folgte die persönliche Rechtfertigung vor einer rein männlichen Auswahlkommission. Viele Aufnahmegesuche wurden abgelehnt.

Die Weigerung des Mannes, die Frau zu heiraten, war übrigens eine gute Begründung dafür, dass ein Kindes im Foundling Hospital akzeptiert wurde. Wenn das Kind dagegen aus einer Vergewaltigung stammte oder die Frau den Mann aus einem anderen Grund nicht heiraten wollte, wurde das nicht anerkannt. Bei Vergewaltigungen ging man meistens sowieso davon aus, dass die Frau den Mann ja wohl irgendwie verführt haben musste. Im Foundling Museum wird deutlich, dass die Schwangeren in dieser Hinsicht wahrscheinlich häufig gelogen haben, um dem gesellschaftlichen Absturz zu entgehen.

Prominente Förderer

Bei meinem Besuch im Museum war ich überrascht über die großzügige Einrichtung mit den edlen Möbeln und die wertvollen Gemälde an der Wand. Ich hatte mir das Ganze eher spartanisch vorgestellt. Dank einiger berühmter Unterstützer, wie zum Beispiel Georg Friedrich Händel oder Charles Dickens, war die finanzielle Lage des Hauses wohl gar nicht schlecht. Zumindest von Dickens ist ja auch bekannt, dass er im Laufe seines Lebens neben seiner Ehefrau eine ganze Reihe von Geliebten hatte. Da drängt sich mir der Verdacht auf, dass es sicher mindestens ein eigenes uneheliches Kind von ihm im Foundling Hospital gab, zumal Verhütung ja damals viel schwieriger war als heute.

Interessant fand ich in dem Museum dann auch noch, wie das Leben der „Findlinge“ weiterging. Da heißt es, dass die Mädchen oft als Hausmädchen vermittelt wurden und die Jungs bekamen eine Lehrstelle, was durchaus positiv für sie war, denn so endeten sie nicht, wie viele andere, in der Gosse.

Aktuelle Parallelen und Suizid

Man braucht übrigens gar nicht bis ins viktorianische Zeitalter zurückzugehen, um auf das Prinzip der „gefallenen Frau“ zu stoßen. Dazu möchte ich ein Beispiel aus meiner eigenen Familie erzählen: Ich war überrascht, als ich davon erfuhr, dass eine meiner Großtanten einen verschwiegenen unehelichen Sohn hatte, der gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben wurde. Irgendwann hat dieser adoptierte Sohn dann als Erwachsener versucht, Kontakt zu seiner Ursprungsfamilie aufzunehmen. Seine leibliche Mutter wollte das aber nicht. Diese Geschichte hat allerdings doch noch ein kleines Happyend, denn die Halbschwestern aus der späteren Ehe haben das Kind nun als Bruder akzeptiert. Nach dem Tod der Mutter wird er jetzt auch immer zu Familienfeiern eingeladen.

Ertrunken aufgefunden (Found Drowned) von G F Watts

Eins der Gemälde im Foundling Hospital: „Found Drowned“ (=Ertrunken aufgefunden) von GF Watts, © Watts Gallery

Aber zurück zum Foundling Museum: Hier findet man Angaben dazu, dass manche schwangere Frauen sich entschlossen, Selbstmord zu begehen, um die „Schande“ für sich und andere zu vermeiden. Und andere wurden erwiesenermaßen unter Druck gesetzt, sich das Leben zu nehmen. Eine bevorzugte Art des Suizids war damals das Ertrinken, und im Foundling Museum hängen zum Beispiel Gemälde, auf denen sich Frauen von Brücken stürzen.

Beim Thema Selbstmord möchte ich nun auf die aktuellen Weltlage zu sprechen kommen: In Paris gab es ja letztens Terroranschläge, darunter auch Selbstmordattentate. Wenn es nach der Ideologie der Attentäter geht, sollen Männer dafür als Märtyrer mit Jungfrauen im Himmel belohnt werden, aber auf Frauen, die Attentate verüben, warten keine jungfräulichen Männer, um sie zu beglücken. Ich habe mich vor einiger Zeit schon dafür interessiert, warum es trotzdem immer mehr weibliche Selbstmordattentäter gibt und dabei unter anderem folgendes Motiv gefunden: Manche von ihnen galten in ihrer Umgebung als gefallene Frauen, zum Beispiel wegen ähnlicher Probleme wie sie die Frauen hatten, über die ich hier geschrieben habe oder einfach wegen sexueller Aktivitäten, die ihre Umgebung zu freizügig fand und man soll ihnen versprochen haben, durch das Selbstmordattentat ihre Ehre wiederherzustellen …

 

Kategorie: Sehenswert Stichworte: Männer und Frauen, Museen

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