Neulich durfte ich einer Polizistin zuhören, die von ihrer interessanten Arbeit erzählte
Erfahrungsbericht einer Kommissarin
Letzte Woche war ich mal wieder zum Arbeiten und Networking im Coworking Space @workhubs in London-Euston – übrigens ein guter Ort für Freiberufler, um ab und zu mit anderen zusammenzuarbeiten.
Die Polizistin Charmaine kam vorbei, sie erzählte uns von ihrem Beruf, und wir merkten sofort, dass sie von ihrem Job begeistert ist.
Das war allerdings nicht immer so, denn ihren früheren Job bei einer Bank fand sie eher deprimierend. Nach einigen Jahren wusste Charmaine, dass sie etwas anderes wollte, nämlich bei der Polizei arbeiten, genauer gesagt, bei der Mordkommission.
Nun sollte man meinen, dass gerade Polizeiarbeit deprimierend ist, wenn man ständig mit Mord und Totschlag zu tun hat, aber Charmaine sieht das anders und für sie zählt vor allem, dass es nie langweilig wird.
Wichtig ist ihr auch, dabei zu helfen, dass die Polizei mit den Angehörigen der Ermordeten so einfühlsam wie möglich umgeht, außerdem geht es ihr um die Familien der Täter, die nach dem Mord meistens ebenfalls am Boden zerstört sind und sie möchte dazu beitragen, dass vor allem junge Täter nicht zwangsläufig in einer lebenslangen Verbrecherkarriere enden.
Bemerkenswert ist dann noch die kurze Ausbildung – in Großbritannien gilt immer noch sehr viel mehr „Learning by Doing“ als in Deutschland und Charmaine erzählte uns von einem Lehrgang, den sie machen musste, aber der dauerte nur 6 Monate.
Der Wechsel in einen anderen Job war vermutlich auch schon deshalb eine gute Idee, weil hier nach dem Brexit vielleicht viele Banker ihre Jobs verlieren.
Arbeitsalltag bei der Londoner Polizei
Bei 8 Millionen Einwohnern hat London insgesamt 33.000 Polizisten und im letzten Jahr gab es hier 100 Morde. Das kommt mir nicht besonders viel vor, es könnte aber auch an der großen Zahl von Krimis im Fernsehen liegen – da kann man schon mal den Blick für die Realität verlieren und man hat den Eindruck, als ob sehr viel mehr Morde passieren, als tatsächlich der Fall ist.
Zurück zu Charmaine: Diese engagierte Polizistin liebt das Abenteuer und sie erzählte uns auch von einer wilden, spannenden Verfolgungsjagd. Obwohl es so etwas tatsächlich gibt, passiert es natürlich in Wirklichkeit nicht annähernd so häufig wie im Fernsehen.
In heißen Ermittlungsphasen schläft Charmaine manchmal auch im Büro. Außerdem ist sie eigentlich ein emotionaler Mensch, findet bei der Arbeit aber vor allem wichtig, professionell zu arbeiten und in angespannten Situationen beruhigend zu wirken.
Sie hat die Erfahrung gemacht, dass dies weibliche Polizisten oft leichter fällt, sie sagt nämlich, dass die meist männlichen Täter bei einer Polizistin oft weniger aggressiv sind und wohl nicht so sehr die Notwendigkeit sehen, Stärke zu zeigen wie bei männlichen Polizisten. Das hätte ich nicht gedacht.
Kontroverses Gesetz trifft besonders junge Leute
Obwohl die eigentlichen Mörder in der Mehrzahl Männer sind, kommen auch zunehmend junge Frauen wegen Mordes hinter Gitter, und woran das liegt, wollte uns Charmaine noch mal genauer erklären. Sie sagte, dass dieses Problem ziemlich unbekannt ist.
Es gibt nämlich in Großbritannien ein Gesetz, dass besonders Jugendliche und junge Erwachsene leicht in große Schwierigkeiten bringen kann, einfach, wenn sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort mit den falschen Leuten zusammen sind.
Dieses Gesetz heißt „Joint Criminal Enterprise“ und es bedeutet, wenn eine Gruppe von Leuten an einem Tatort ist und man nicht genau klären kann, wer für den eigentlichen Mord verantwortlich ist, dann erwartet jeden von ihnen die Höchststrafe. Auch Unschuldige können dadurch leicht für lange Zeit ins Gefängnis wandern und gerade unter Jugendlichen ist der Gruppendruck besonders groß, niemanden an die Polizei zu verraten.
Weil einem das die Zukunft verbauen kann, gibt es die Initiative JENGbA (Joint Enterprise Not Guitly by Association), die von Müttern und anderen Familienmitgliedern unschuldig Verurteilter gegründet wurde, die sich für die Betroffenen einsetzen.
Charmaine sagte dann auch noch, dass ein klarer Zusammenhang besteht zwischen Geldkürzungen in der Jugendarbeit und einem Anstieg der Jugendkriminalität.
Größter Unterschied zu Deutschland:
Britische Polizisten tragen selten Schusswaffen
Zum Schluss habe ich Charmaine dann noch gefragt, ob sie jemals eine Schusswaffe trägt, weil ich schon von Unterschieden im Vergleich zum deutschen System wusste, aber mir war nicht klar, wie das bei Mordermittlern aussieht.
Charmaine sagte, sie trägt nie eine Schusswaffe und würde auf keinen Fall eine bei sich tragen wollen.
Allerdings wurde auch in Großbritannien schon darüber diskutiert, ob die Polizisten nicht manchmal zu großen Gefahren ausgesetzt sind, wenn sie es mit bewaffneten Schwerverbrechern zu tun haben, aber bisher ist alles beim Alten geblieben.
Ich muss gestehen, dass ich mich hier in London mit Polizisten eigentlich immer entspannt fühle. Obwohl ich nie etwas verbrochen hatte, bekam ich in Deutschland bei solchen Begegnungen manchmal Beklemmungen, und das komische Gefühl hing garantiert vor allem damit zusammen, dass die meisten deutschen Polizisten Schusswaffen tragen.
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