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Wörterbücher reichen nicht immer aus

25/09/2017 By Tina Kommentar verfassen

Gestern musste ich mal wieder grinsen, als mich ein wildfremder Mann mehrfach mit „Sweetheart“ ansprach. Früher hätte ich das wahrscheinlich falsch verstanden.

Es kommt auf das betreffende Land an

Bei diesem genannten Beispiel wusste ich, dass „Sweetheart“ einfach nur nett gemeint war und es gab keinen Grund, Respektlosigkeit zu vermuten, weil ich schon lange genug in England lebe und weiß, wie das Wort hier gebraucht wird.

Übrigens gilt Ähnliches wie bei dem erwähnten Wort „Sweetheart“ auch, wenn hier jemand „Darling“ oder „Love“ sagt.

In Deutschland wäre die Sache eine andere, wenn jemand „Schätzchen“ oder Ähnliches zu mir sagen würde – das kann bei Fremden durchaus abfällig gemeint sein.

Ich habe jetzt extra noch mal in den Online-Wörterbüchern leo.org und dict.cc nachgesehen, die ich regelmäßig benutze, und da stehen tatsächlich nur direkte Übersetzungen ohne nähere Angaben zur Verwendung.

Ich benutze fast nur noch Online-Wörterbücher

Gedruckte Wörterbücher verstauben bei mir inzwischen schon allein deshalb im Regal, weil es deutlich länger dauert als bei den digitalen, etwas nachzusehen, und das ist mir mittlerweile einfach zu zeitaufwendig.

Ein weiterer wichtiger Grund gegen gedruckte Bücher ist für mich der, dass sie einfach nicht aktuell genug sein können. Es dauert ja relativ lange vom Entwurf, bis ein Buch dann endlich auf den Markt kommt und in der Zwischenzeit kann sich heutzutage einiges ändern.

Die Welt verändert sich immer schneller, es gibt neue Wörter, altbekannte ändern ihre Bedeutung oder sie werden kaum noch gebraucht.

Das Online-Wörterbuch Leo finde ich besonders interessant, weil sich hier auch Nutzer über die Verwendung von Wörtern austauschen, und es gibt es oft interessante Diskussionen.

Wie das Wort „Sweetheart“ zeigt, müsste den Leuten aber gelegentlich erst mal klar sein, dass überhaupt etwas unklar ist, bevor sie Fragen dazu stellen könnten.

Leo  erlaubt einem übrigens, ein kostenloses Konto eröffnen, und wir können herausfinden, ob hier gerade ein Muttersprachler seine Meinung sagt, aus welchem Land er oder sie stammt – was ja oft auch eine Rolle spielt – und ob die Leute zum Beispiel professionell mit Sprache arbeiten. Außerdem können wir selbst Fragen zur Diskussion stellen.

Das andere erwähnte Online-Wörterbuch Dict.cc bietet dagegen eine größere Auswahl an verschiedenen Sprachen.

Wörter können immer wieder veralten

Interessant ist auch, dass ich in England immer noch mal Leute treffe, die selbstverständlich davon ausgehen, dass eine unverheiratete Frau in Deutschland „Fräulein“ genannt wird, was ja nun schon vor Jahrzehnten abgeschafft wurde.

Die Leute wissen es oft einfach nicht besser, weil sie es nie anders gehört haben und mit der modernen deutschen Sprache wenig oder gar nicht in Kontakt kommen.

Auf dem Laufenden bleiben

Wenn es um Veränderungen geht, dann muss aber sogar ich aufpassen, dass mir nicht irgendwelche Neuerungen entgehen, obwohl ich ständig Deutsch und Englisch spreche und mit beiden Sprachen arbeite.

Schließlich verändern sich alle Sprachen, wenn sie irgendwo auf der Welt gesprochen werden, immer weiter – ohne Ausnahme.

Falls uns mal wieder irgendwas komisch vorkommt, wenn wir ein Wörterbuch benutzen, dann hilft es oft, die Situation, um die es geht, genauer zu betrachten.

Im Zweifelsfall heißt es: Wörterbücher haben nicht immer recht und manchmal hilft sogar die Intuition weiter als alles andere.

 

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Positive Männer-Power

14/01/2016 By Tina 6 Kommentare

bbc womans hour - Vergleich mit Reichskristallnacht

In letzter Zeit wird viel über die sexistischen Angriffe auf Frauen in Deutschland in der Silvesternacht gesprochen. Natürlich diskutiert man auch hier in England darüber, und bei der BBC Woman’s Hour wurde eine deutsche Journalistin gefragt, ob denn gewisse Dinge, die sich als Gegenreaktion in Leipzig ereignet hatten, mit der Reichskristallnacht zu vergleichen wären. Das hat sie natürlich verneint, aber ich finde es schon schockierend, dass man auf diesen Gedanken kommen kann. Wir müssen natürlich in der Tat aufpassen, dass wir jetzt nicht den Rassisten das Feld überlassen, die sich bestätigt fühlen und dann das Ganze dazu verwenden, um andere in ihrem Sinne aufzustacheln.

Hier kann dieser Beitrag der BBC Womans’s Hour noch mal abgerufen werden (Zu „Chapters“ herunterscrollen und „Sexual Assault by Migrants“ anklicken)

 

Auch mal positive Berichterstattung

Ich möchte einen Blogbeitrag der Emma positiv hervorheben, in dem zur Abwechslung mal über die vielen Männer berichtet wurde, die sich von den schlimmen Ereignissen distanzieren. Statt immer nur zuerst das Negative zu sehen, sollten wir meiner Meinung nach gucken, was alles Positives passiert – und ich finde, da gibt es schon viel mehr, als man auf den ersten Blick sieht.

Es ist ja ein beliebtes Spielchen, verschiedene Gruppen gegeneinander aufzuhetzen – seien es Deutsche gegen Ausländer und speziell Flüchtlinge oder Frauen gegen Männer, und ich fände es viel effektiver, sich dem Spiel zu verweigern.

Konstruktive Projekte und Aktionen

Man braucht gar nicht bei null anzufangen – es gibt ja in Deutschland schon tolle Projekte, wie die Heroes, wobei vor allem junge Männer aus Migrantenfamilien gezielt in Integrationsfragen trainiert werden. Sie gehen anschließend in Schulen und geben ihre Erkenntnisse an andere weiter.

Außerdem finde ich gut, dass sich Frau TV vom WDR, wie jetzt gerade am letzten Donnerstag mal wieder, manchmal in Mann TV verwandelt, das heißt, die Sendung wird ab und zu von einen Mann moderiert, der dann, ein bisschen ironisch, auch seine Sicht der Dinge zum Besten gibt. Der WDR sitzt in Köln, wo an Silvester die meisten Übergriffe auf Frauen stattfanden, und Mann TV hat natürlich ebenfalls über die Problematik berichtet.

Mir gefällt auch die Serie von NTV, die neu ankommenden Flüchtlingen auf Arabisch mit deutschen Untertiteln Informationen zum Leben in Deutschland gibt – einschließlich Liebe und Sex. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele männliche Flüchtlinge diese Serie nur deshalb so gut annehmen, weil sie von einem deutschen Mann und nicht von einer Frau präsentiert wird.

Ich würde mir noch mehr solcher Aktionen und Projekte wünschen, und ich finde, im Moment können mehr noch als Frauen vor allem die Männer mit und ohne Migrationshintergrund einen positiven Beitrag leisten, die auch nicht wollen, dass Europa wieder in finsteren Verhältnissen versinkt, wie wir sie auf besonders drastische Weise in der Nazizeit hatten.

 

Anna hat zur Blogparade „Schreiben gegen Rechts“ aufgerufen, und hier findet ihr den interessanten Beitrag und Links zu vielen anderen. Danke Anna!

 

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Ausstellung „Fallen Woman“ im Foundling Museum mit Parallelen zum Terror in der Welt

23/11/2015 By Tina Kommentar verfassen

Die Frauen, über die ich hier schreibe, verbindet vor allem eins: die Angst vor Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Oft ging es um Leben oder Tod – bei manchen selbst heute noch

 

Ursprünge des Museums und Ausstellung

Das Foundling Museum (=Findlingsmuseum) gehört zu den weniger bekannten Museen in London, und ich habe mir da neulich nicht nur das Museum selbst, sondern auch die aktuellen Ausstellung „Fallen Woman“ (=gefallene Frau) angesehen.

Das Haus hieß im viktorianischen Zeitalter „Foundling Hospital“ und dort wurden Kinder aufgenommen, die aus nichtehelichen Beziehungen stammten. Obwohl solche Geburten eigentlich nicht sein durften, waren sie natürlich trotzdem keine Seltenheit, was dann allerdings für die Mütter schlimm enden konnte, wenn sie es nicht schafften, ihre Kinder zu verheimlichen. Bei der Ausstellung, die noch bis zum 3. Januar 2016 zu sehen ist, gibt es zusätzlich zu den sonstigen Exponaten weitere Gemälde, handschriftliche Originalbriefe und eine Audio-Installation, aber selbst ohne die Ausstellung lohnt sich der Besuch.

Aufnahmekriterien für die Kinder

Wenn eine Frau außerhalb der Ehe schwanger wurde, konnte das in der viktorianischen Zeit katastrophale Folgen für sie haben, falls der Mann sie nicht heiraten wollte, weil er schon verheiratet war oder „eine bessere Partie“ in Aussicht hatte. Übrigens gab es damals natürlich auch jede Menge Prostituierte. Ihre Kinder hatten allerdings keine Chance, im Findlingshospital aufgenommen zu werden.

Um zu „fallen“ mussten die Frauen nämlich zunächst mal überhaupt eine achtbare Stellung in der Gesellschaft haben. Aber auch dann waren sie als Erstes gezwungen, die Aufnahme unehelicher Kinder im Findlingshospital zu beantragen und zu begründen. Zuerst mussten die Frauen einen schriftlichen Aufnahmeantrag stellen und wenn der durchging, folgte die persönliche Rechtfertigung vor einer rein männlichen Auswahlkommission. Viele Aufnahmegesuche wurden abgelehnt.

Die Weigerung des Mannes, die Frau zu heiraten, war übrigens eine gute Begründung dafür, dass ein Kindes im Foundling Hospital akzeptiert wurde. Wenn das Kind dagegen aus einer Vergewaltigung stammte oder die Frau den Mann aus einem anderen Grund nicht heiraten wollte, wurde das nicht anerkannt. Bei Vergewaltigungen ging man meistens sowieso davon aus, dass die Frau den Mann ja wohl irgendwie verführt haben musste. Im Foundling Museum wird deutlich, dass die Schwangeren in dieser Hinsicht wahrscheinlich häufig gelogen haben, um dem gesellschaftlichen Absturz zu entgehen.

Prominente Förderer

Bei meinem Besuch im Museum war ich überrascht über die großzügige Einrichtung mit den edlen Möbeln und die wertvollen Gemälde an der Wand. Ich hatte mir das Ganze eher spartanisch vorgestellt. Dank einiger berühmter Unterstützer, wie zum Beispiel Georg Friedrich Händel oder Charles Dickens, war die finanzielle Lage des Hauses wohl gar nicht schlecht. Zumindest von Dickens ist ja auch bekannt, dass er im Laufe seines Lebens neben seiner Ehefrau eine ganze Reihe von Geliebten hatte. Da drängt sich mir der Verdacht auf, dass es sicher mindestens ein eigenes uneheliches Kind von ihm im Foundling Hospital gab, zumal Verhütung ja damals viel schwieriger war als heute.

Interessant fand ich in dem Museum dann auch noch, wie das Leben der „Findlinge“ weiterging. Da heißt es, dass die Mädchen oft als Hausmädchen vermittelt wurden und die Jungs bekamen eine Lehrstelle, was durchaus positiv für sie war, denn so endeten sie nicht, wie viele andere, in der Gosse.

Aktuelle Parallelen und Suizid

Man braucht übrigens gar nicht bis ins viktorianische Zeitalter zurückzugehen, um auf das Prinzip der „gefallenen Frau“ zu stoßen. Dazu möchte ich ein Beispiel aus meiner eigenen Familie erzählen: Ich war überrascht, als ich davon erfuhr, dass eine meiner Großtanten einen verschwiegenen unehelichen Sohn hatte, der gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben wurde. Irgendwann hat dieser adoptierte Sohn dann als Erwachsener versucht, Kontakt zu seiner Ursprungsfamilie aufzunehmen. Seine leibliche Mutter wollte das aber nicht. Diese Geschichte hat allerdings doch noch ein kleines Happyend, denn die Halbschwestern aus der späteren Ehe haben das Kind nun als Bruder akzeptiert. Nach dem Tod der Mutter wird er jetzt auch immer zu Familienfeiern eingeladen.

Ertrunken aufgefunden (Found Drowned) von G F Watts

Eins der Gemälde im Foundling Hospital: „Found Drowned“ (=Ertrunken aufgefunden) von GF Watts, © Watts Gallery

Aber zurück zum Foundling Museum: Hier findet man Angaben dazu, dass manche schwangere Frauen sich entschlossen, Selbstmord zu begehen, um die „Schande“ für sich und andere zu vermeiden. Und andere wurden erwiesenermaßen unter Druck gesetzt, sich das Leben zu nehmen. Eine bevorzugte Art des Suizids war damals das Ertrinken, und im Foundling Museum hängen zum Beispiel Gemälde, auf denen sich Frauen von Brücken stürzen.

Beim Thema Selbstmord möchte ich nun auf die aktuellen Weltlage zu sprechen kommen: In Paris gab es ja letztens Terroranschläge, darunter auch Selbstmordattentate. Wenn es nach der Ideologie der Attentäter geht, sollen Männer dafür als Märtyrer mit Jungfrauen im Himmel belohnt werden, aber auf Frauen, die Attentate verüben, warten keine jungfräulichen Männer, um sie zu beglücken. Ich habe mich vor einiger Zeit schon dafür interessiert, warum es trotzdem immer mehr weibliche Selbstmordattentäter gibt und dabei unter anderem folgendes Motiv gefunden: Manche von ihnen galten in ihrer Umgebung als gefallene Frauen, zum Beispiel wegen ähnlicher Probleme wie sie die Frauen hatten, über die ich hier geschrieben habe oder einfach wegen sexueller Aktivitäten, die ihre Umgebung zu freizügig fand und man soll ihnen versprochen haben, durch das Selbstmordattentat ihre Ehre wiederherzustellen …

 

Neben- oder hauptberuflich selbständig machen? Blogparade von „Selbständig im Netz“

30/09/2015 By Tina 1 Kommentar

Hier kommt mein Beitrag zur Blogparade von Peer und Susann („Selbständig im Netz“): Neben- oder hauptberuflich selbständig machen? Unten beantworte ich die Fragen, die sie auf ihrem Blog stellen.

 

International Translation Day 2015-Poster-1-Finland-SKTL scaled down etwas groesser

Jedes Jahr am 30. September ist Internationaler Übersetzertag

Womit willst oder hast du dich neben- oder hauptberuflich selbständig gemacht?

Ich habe mich vor vielen Jahren als literarische Übersetzerin nebenberuflich selbständig gemacht und damals hatte ich noch einen festen Teilzeitjob als Verwaltungsangestellte. Seit meinem Umzug nach England arbeite ich in Vollzeit freiberuflich, hier gibt es deutlich weniger Teilzeitstellen und ich hätte es auch extrem schwierig gefunden, neben einer Vollzeitarbeit und den meist langen Anfahrtswegen nebenberuflich noch etwas anderes auf die Beine zu stellen.

Mittlerweile bin ich nicht mehr in erster Linie Literaturübersetzerin, sondern u.a. feste Freie als Lehrerin für eine nette kleine deutsche Sprachschule, außerdem übersetze ich viele Formate, eine Zeit lang waren das vor allem Filmuntertitel, und als Redakteurin und Journalistin habe ich auch schon gearbeitet.

Im letzten Jahr bin ich dann langsam damit angefangen, diesen Blog über London und einen anderen auf Englisch über internationales Self-Publishing zu starten.

Warum hast du dich neben- oder hauptberuflich selbständig gemacht?

Ich wollte damals unbedingt Bücher übersetzen, es hätte nicht unbedingt selbständig sein müssen, aber es ist schwierig genug, überhaupt freiberuflich für Verlage übersetzen zu dürfen, Angestellte kenne ich auf diesem Gebiet keine.

Jetzt arbeite ich schon seit mittlerweile 14 Jahren in Vollzeit selbständig und sehe inzwischen vor allem die Vorteile, nämlich die größere Freiheit, Flexibilität und Vielfalt in der Arbeit.

Hast du deinen Arbeitgeber informiert?

Ja, und wegen der Teilzeittätigkeit war das damals auch kein Problem, ich war ja mit dem anderen Job nicht voll ausgelastet, von daher musste mein Chef nicht befürchten, dass die Arbeit für ihn darunter leidet.

Wie schaffst du den Balance-Akt zwischen Job, Familie und Gründung?

Als ich mit dem Übersetzen angefangen habe, war ich noch mit einem Mann verheiratet, der sich wohl offenbar doch vor allem eine gute Hausfrau gewünscht hatte – und dann ist unsere Beziehung nicht nur deshalb, aber sicher auch aus diesem Grund in die Brüche gegangen, er fand es anscheinend gar nicht schlecht, dass ich anfangs nach dem Studium nur einen Teilzeitjob gefunden hatte. Durch meine Übersetzungsarbeit war ich dann aber nicht mehr so flexibel und konnte und wollte meine Prioritäten nicht mehr ständig seinen unterordnen. Im Nachhinein kann ich sagen, das war damals keine leichte Zeit, aber ich habe dadurch begriffen, was ich wirklich will.

Inzwischen kommt für mich nur noch eine Beziehung auf Augenhöhe in Frage, ohne traditionelle Rollenmuster, und mir ist wichtig, nicht nur die Haus- sondern auch die Erwerbsarbeit zu teilen. Irgendwann war ich mal überrascht, als ich erfahren habe, dass auch Männer die alten Rollenerwartungen nicht immer toll finden – ich weiß jetzt, dass nicht jeder scharf auf den Druck ist, unter dem Allein- oder Hauptverdiener oft stehen.

Welche positiven und negativen Erfahrungen hast du gemacht?

Literaturübersetzen habe ich immer gerne gemacht, aber leider wird es schlecht bezahlt, und ich wusste, dass ich davon in einer teuren Stadt wie London auf die Dauer nicht leben kann. Deshalb musste ich andere Wege finden. Viele Jahre lang habe ich dann Filmuntertitel übersetzt, bis auch da die Honorare runtergingen – wer das nicht mitmachen wollte, musste sich etwas anderes suchen.

Es sieht so aus, als ob ich mich immer wieder neu erfinden muss. Das Lernen hört ja heute eh für niemanden auf, aber ich glaube, bei mir ist es besonders extrem. Ich habe mich schon so an die ständigen Veränderungen in meinem Leben gewöhnt, dass ich das Gefühl habe, ich brauche die jetzt beinahe 😉

Was waren oder sind deine größten Herausforderungen?

Ich arbeite mit Sprache, und das ist traditionell ein Bereich, in dem vor allem Frauen arbeiten, viele von ihnen von zu Hause aus. Sie sind oft quasi nur „Dazuverdienerinnen“ und ihr Mann bringt das meiste Geld nach Hause, was bedeutet, dass die Honorare in der Regel niedrig sind – ich dagegen muss und will meinen Lebensunterhalt in einer teuren Stadt wie London alleine verdienen.

Aber Herausforderungen sind dazu da, um daran zu wachsen, und ich habe bisher immer wieder neue Ideen gehabt, wie es nach einer Flaute weitergehen sollte.

Und hier sind meine Tipps für zukünftige nebenberufliche oder Vollzeit-Selbständige:

  1. Überlege dir, für was du brennst, wo deine Leidenschaft liegt, damit du auch Durststrecken durchältst.
  2. Ich würde mich erst mal nebenberuflich selbständig zu machen, wenn das möglich ist, um herauszufinden, ob dir das, was du dir vorgestellt hast, tatsächlich liegt und der Arbeitsalltag dann wirklich so aussieht, wie du ihn dir vorgestellt hast. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob du das auf die Dauer hauptberuflich machen willst.
  3. Ich würde mir auch möglichst Zeit bei der Entscheidung lassen, worauf es letztlich genau hinauslaufen soll, am Anfang kann man noch nicht immer so genau abschätzen, wie man sich langfristig damit fühlt und inwieweit es finanziell läuft.
  4. Miss dich nicht an anderen und an dem, was deine Umwelt „normal“ findet. Es ist dein Leben!
  5. Wenn du selber genau weißt, was du willst, würde ich auch mit einem Partner oder einer Partnerin so bald es geht besprechen, wie du dir dein Leben vorstellst. Je eher, desto besser, vielleicht bleibt dir dann erspart, was mir passiert ist, nämlich den Falschen zu heiraten. Heute sind die Rollen eben nicht mehr so klar definiert, wie das früher mal der Fall war …
  6. Erlaube dir, nicht perfekt zu sein, das ist sowieso niemand, schon gar nicht am Anfang. Und wer mal so richtig auf die Nase fällt und es schafft, dann wieder aufzustehen, der wird immer stärker. Es heißt ja, dass alle erfolgreichen Leute mal so richtig baden gegangen sind – manche behaupten, dass es für großen Erfolg sogar unbedingt notwendig ist, so etwas mal erlebt zu haben und ich glaube das auch. Die Nasa hält Versagen übrigens für besonders wichtig, um innovativ zu sein, und bei denen gibt es für ihre Angestellten sogar einen Preis für Misserfolge.
  7. Arbeite nicht ununterbrochen, sondern gönn dir Pausen, sonst hast du irgendwann keine Kraft mehr zum Weitermachen, und sei generell nett zu dir. Ich denke, die meisten von uns haben schon in der Schule gelernt, vor allem unter Druck zu arbeiten, aber ständiger Druck macht einen auf die Dauer kaputt.
  8. Vernetze dich mit anderen  – wer nicht immer alleine kämpft, muss sich nicht alles einsam erarbeiten und kann sich gegenseitig hochziehen, wenn es mal hakt. Ich verabrede mich zum Beispiel inzwischen regelmäßig mit einer Freundin, die auch bloggt, zum Skypen oder im Café und dann erzählen wir uns, was wir geschafft haben und was wir bis zum nächsten Gespräch vorhaben. Ich hätte nie gedacht, dass das einen so großen Unterschied machen würde! Auch im Internet, übers Bloggen und Kommentieren und über Social Media kann man sich natürlich vernetzen, aber ich würde mich deshalb trotzdem noch mit Leuten in ähnlicher Situation ab und zu persönlich treffen und auch entsprechende Veranstaltungen besuchen. Der direkte Kontakt ist doch noch mal was anderes als eine rein virtuelle Verbindung.
  9. Ich bin davon überzeugt, dass die selbständige Arbeit von Solopreneuren Zukunft hat. Unsere Welt verändert sich schließlich immer schneller und ich glaube, dass Leute, die für sich allein oder mit einem Mini-Team selbständig arbeiten, besser auf zukünftige Veränderungen reagieren können, weil sie flexibler sind, wenn sie keine große Firma im Nacken haben, die sich nur schwerfällig bewegt. Das heißt aber nicht, dass man dabei immer Einzelkämpfer sein muss: Wir können uns ja für bestimmte Projekte mit anderen zusammenschließen.

Und hier noch ein paar Worte zum Schluss:

Heute, am 30. September, ist internationaler Übersetzertag. Dadurch soll einmal im Jahr eine sonst eher unsichtbare Branche etwas sichtbarer gemacht werden. Ich habe auch auf meinem englischen Blog etwas dazu geschrieben. Wer Englisch lesen kann und sich für das Thema interessiert, kann da gerne mal vorbeigucken.

Blogger veröffentlichen ja oft E-Books – wieso sollte das nicht auch international möglich sein? Aus dem Englischen werden jede Menge Bücher ins Deutsche und in andere Sprachen übersetzt, aber bisher leider nur wenige umgekehrt, aber ich sehe Wege, wie sich das ändern kann, dazu gibt es auch einen Artikel auf meinem englischen Blog.

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